Heimatliteratur - Trivialliteratur: Richard Voss
Der Begriff "Heimat" hat wieder Konjunktur (Globalisierung).
Er war im Zuge der Vergangenheitsbewältigung ins Gerede gekommen.Wie soll man mit ihm und ähnlichen Begriffe verfahren, die vom NS geprägt oder neu semantisiert wurden
(z.B."erfassen"-"Urlaub"-"entartet" usw.)
Victor Klemperer war der Ansicht, sie sollten vielleicht "für immer im Massengrab der Geschichte" verschwinden. "Heimat" ist ein Begriff, der im NS mit Rasse, Abstammung, Blut und Boden in Verbindung gebracht wurde. Heimat ist jedoch heute offensichtlich als Gegenwelt zur globalen Beliebigkeit aufgewertet worden. Heimat ist der Ort, wo es einem gut geht - in mancher Hinsicht: materiell, sozial, kulturell, wo der Mensch "zu Hause" ist.
Nicht jede Heimatkultur steht freilich im Kitschverdacht. Literarische Heimatkunst von hohem Rang gibt es: Thoma, Rosegger, Reuter und zahlreiche Vertreter der Gegenwartsliteratur, auch wenn es sich dabei nicht um Dialektdichtung handelt (z.B. Innerhofer).
Mein Vortrag in Reichenhall hat nun einen ehemals prominenten Schriftsteller (u.a. auch Heimatdichter) und seinen Bestseller "Zwei Menschen" ins Visier genommen. Das triviale Genre (Bauernmädchen - Grafensohn) und die fast unerträgliche klischeehafte Rhetorik stellen m.E. ein authentisches "Dokument
des Imaginierten dar. Der Roman dokumentiert auch die These
Radkaus vom "Zeitalter der Nervosität" um die Jahrhundertwende.
Voss selbst stellt sich in seiner Autobiographie als suicidgefährdeten Neurotiker dar (Patient von Krafft-Ebing).
Im Roman selbst treffen daher zwei signifikante Zeitgeister aufeinander...und verfehlen sich. Die Protagonistin, Judith Platter,
vertritt das naturnahe, "gesunde", einfache, tatkräftige, heimatbodenverbundene Leben, der männliche Gegenpart verliert sich in neurotisch-ekstatischer Katholizität, mit der er im Rom Papst Pius IX. (1. Vaticanum) infiziert wird. Beide enden mit Selbstmord.
So betrachtet handelt es sich bei dieser Literatur nicht unbedingt um triviale Unterhaltungsliteratur. Voss wurde zu seiner Zeit vor allem als Theaterschriftsteller zur "hohen" Literatur gerechnet.
Dreimal wurde sein Roman verfilmt, von bedeutenden Regisseuren und Schauspielern. Voss selbst war befreundet mit der großbürgerlichen und adeligen Kulturschickeria des Kaiserreichs. Die meisten seiner vielen Hervorbringungen sind gerade keine Heimatliteratur (viele spielen in Italien).
Es bleibt die Frage nach der mentalitätsgeschichtlichen Orientierung
(Zeitgeist) einer bestimmten Gesellschaftsschicht an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit:
Lebensideologie (Lebensreform) vs. Neurotik.
Er war im Zuge der Vergangenheitsbewältigung ins Gerede gekommen.Wie soll man mit ihm und ähnlichen Begriffe verfahren, die vom NS geprägt oder neu semantisiert wurden
(z.B."erfassen"-"Urlaub"-"entartet" usw.)
Victor Klemperer war der Ansicht, sie sollten vielleicht "für immer im Massengrab der Geschichte" verschwinden. "Heimat" ist ein Begriff, der im NS mit Rasse, Abstammung, Blut und Boden in Verbindung gebracht wurde. Heimat ist jedoch heute offensichtlich als Gegenwelt zur globalen Beliebigkeit aufgewertet worden. Heimat ist der Ort, wo es einem gut geht - in mancher Hinsicht: materiell, sozial, kulturell, wo der Mensch "zu Hause" ist.
Nicht jede Heimatkultur steht freilich im Kitschverdacht. Literarische Heimatkunst von hohem Rang gibt es: Thoma, Rosegger, Reuter und zahlreiche Vertreter der Gegenwartsliteratur, auch wenn es sich dabei nicht um Dialektdichtung handelt (z.B. Innerhofer).
Mein Vortrag in Reichenhall hat nun einen ehemals prominenten Schriftsteller (u.a. auch Heimatdichter) und seinen Bestseller "Zwei Menschen" ins Visier genommen. Das triviale Genre (Bauernmädchen - Grafensohn) und die fast unerträgliche klischeehafte Rhetorik stellen m.E. ein authentisches "Dokument
des Imaginierten dar. Der Roman dokumentiert auch die These
Radkaus vom "Zeitalter der Nervosität" um die Jahrhundertwende.
Voss selbst stellt sich in seiner Autobiographie als suicidgefährdeten Neurotiker dar (Patient von Krafft-Ebing).
Im Roman selbst treffen daher zwei signifikante Zeitgeister aufeinander...und verfehlen sich. Die Protagonistin, Judith Platter,
vertritt das naturnahe, "gesunde", einfache, tatkräftige, heimatbodenverbundene Leben, der männliche Gegenpart verliert sich in neurotisch-ekstatischer Katholizität, mit der er im Rom Papst Pius IX. (1. Vaticanum) infiziert wird. Beide enden mit Selbstmord.
So betrachtet handelt es sich bei dieser Literatur nicht unbedingt um triviale Unterhaltungsliteratur. Voss wurde zu seiner Zeit vor allem als Theaterschriftsteller zur "hohen" Literatur gerechnet.
Dreimal wurde sein Roman verfilmt, von bedeutenden Regisseuren und Schauspielern. Voss selbst war befreundet mit der großbürgerlichen und adeligen Kulturschickeria des Kaiserreichs. Die meisten seiner vielen Hervorbringungen sind gerade keine Heimatliteratur (viele spielen in Italien).
Es bleibt die Frage nach der mentalitätsgeschichtlichen Orientierung
(Zeitgeist) einer bestimmten Gesellschaftsschicht an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit:
Lebensideologie (Lebensreform) vs. Neurotik.
Wolfgang Lindner - 17. Sep, 16:11
Peter Voss: "Zwei Menschen"
Schade, dass es seit September 07 keinen Kommentar gab. Wer der richtigerweise von „jemandem selbst“ und nicht fälschlich(erweise) von „jemandem selber“ spricht/schreibt, ist heute zu loben; er verwendet die deutsche Sprache und drückt seine Gedanken nicht mit Hilfe von Fernsehdeutsch aus. Als uns in der Mitte der „Fünfziger“ Jahre klar wurde, dass es im entstehenden Europa für uns, die vor oder im 2. Weltkrieg geborenen eine Hamat gibt, war dies ein Durchbruch für die Akzeptanz. Heinmat ist – auch der Lebensbereich, in dem die gleiche Sprache gesprochen wird, ob von in Prag, in Budapest oder in Mikkeli – Finnland – geborenen Bildungsbürgern. Heimat haben viele von uns im sozialen Umfeld der mittelständischen Bildungsbürger aus vielen Nationen gefunden, eher als in der Region unserer Herkunft. Eine staatliche Förderung der Integration ist dort überflüssig, wo es gemeinsame Grundwerte gibt.
Heimat sind nicht so sehr eine Gegend oder Personen, Heimat sind die Gemeinsamen Werte. Die von Bassam Tibi (Göttingen) erfundene Wortschöpfung bezeichtet hier genau das Richtige: Die Heimat, die wir in uns tragen.